Sonntag, 13. August 2017

Einmal Opfer – immer Opfer?
 

Ein Freund von mir, Oliver Steuer, aus Hof/ Saale  sagte einmal: „ Mein Schwert ist das Wort!“ Dem schließe ich mich an und vervollständige: „Mein Schwert sind Stift und Wort!“
Er erzählte mir dies im Zusammenhang mit seiner Afrikareise, bei der er im Sudan auf Schritt und Tritt von der örtlichen Polizei überwacht, schikaniert und regelrecht terrorisiert wurde. Ein Wunder, dass sie ihn nicht eingesperrt oder ganz des Landes verwiesen haben. Allerdings geschah genau dies schon am Anfang, als er das Gesetz missachtend, einfach ohne Visum versuchte, die ägyptisch-sudanesische Grenze zu überschreiten.
Er kam nicht sehr weit, denn die Wachposten schickten ihn umgehend zurück. Also fuhr er nach Kairo und besorgte sich bei der sudanesischen Botschaft doch noch ein Visum. Es schien, seit dem hatten sie ihn auf dem Kieker. Zuhause angekommen, schrieb er sich dann seinen Frust von der Seele.
So ging ich mit den besten Vorsätzen letztes Jahr zur Weihnachtsfeier unserer Familie, in der  Tasche ein lustiges Gedicht über Tannenbäume welches ein Freund im Internet fand. Sie machten sich selbständig und tanzten nach Gangman-Stil. Das kam auch ganz gut an , einige mussten sogar darüber lachen. Als ich dann vorschlug, ein Lied anzustimmen schlug die Stimmung aber sofort um. Niemand zeigte große Lust am Singen. Eigentlich wollte ich auch nur selbst ein Lied, das ich in meinem Liederfundus entdeckte, zum Besten geben. Der Titel lautete: „ Hört der Engel helle Lieder“ und es besitzt einen wunderschönen Schlussteil: „Gloria in excelsis Deo“ Ich übte es schon Zuhause und auf der S-Bahnfahrt gründlich ein. Heute bedauere ich, mich nicht durchgesetzt zu haben, denn ich verzichtete auf Grund der allgemeinen ablehnenden Haltung auf meine Gesangseinlage. Meinen Schwager hätte das Lied vielleicht doch erfreut, aber in Zukunft kann er es nie mehr hören. Er verstarb Anfang März im darauf folgenden Jahr. Immerhin hatte ich die Chance, einigen Verwandten von meinen Erlebnissen mit Gott zu berichten. Der Sohn meines Neffen wandte darauf ein: „ Ich bin kein Atheist wie meine Großmutter, aber wie steht es mit dem Leid in der Welt? Warum lässt Gott es zu?“ Ich glaube ich antwortete: „ Unser Leid ist meist selbst gemacht.“
Aber dann kam es noch besser und es hätte die Stunde der Wahrheit sein können, aber ich ließ die Gelegenheit ungenutzt verstreichen, als die Mutter eines angeheirateten Schwiegersohns meiner Schwester wissen wollte: „ Warum besteht zwischen dir und Linda solch ein großer Altersunterschied?“ „Wir haben zwar den gleichen Vater aber dafür zwei verschiedene Mütter,“ antwortete ich ihr. Den Rest der Familiengeschichte lies ich Linda erklären, weil ich sie nicht kompromittieren wollte. Sie erzählte ihren Verwandten, wie mein richtiger Vater mich damals adoptierte und sie mich in den Ferien zusammen vom Fichtelgebirge nach Berlin brachten. Ihre eigene Adoption  aus einem Kinderheim kam dabei nicht zur Sprache und genauso wenig erwähnte ich die Tatsache, dass nach dem Mauerbau meine Tante ihr gesamtes erspartes Geld Lindai gab, damit sie sich mit ihrer Familie ein Haus in Oranienburg-Süd kaufen konnte. Was sie mir wiederholt berichtete, stimmte: „Als die Tante 1969 starb, befanden sich nur noch vergammelte Pralinen und Schokolade unter ihrem Bett.“ Ich forderte nie einen Anteil vom Geld, um Streit zu vermeiden und auch Mia vertrat folgende Ansicht:  "Das DDR Regime hat sie fast dreißig Jahre eingesperrt. Das war schlimm genug."
Stattdessen berichtete ich ihnen von der herzlosen Behandlung durch meine Stiefmutter. Obwohl ich noch nicht einmal die schlimmsten Torturen beschrieb, wie das Geschlagenwerden mit ihrem Teppichausklopfer und tagelangem Liebesentzug durch fortgesetztes Schweigen,  bemerkte ich, wie sich Heidis Gesicht zunehmend verfinsterte. Diese Gesprächswendung gefiel ihr genauso wenig wie ihrer Tochter Beate, die uns erklärte: "  Ich habe Oma immer nur freundlich in Erinnerung."
 Damit war die Weihnachtsstimmung unwiederbringlich verdorben. Sie tauschten zwar noch einige Geschenke aus obwohl mir von Linda vorher gesagt wurde: „ Wir schenken uns aber nichts!“
Bevor sie mich dann in ihrem Mercedes zum Bahnhof brachten, erhielt ich  doch noch ein Geschenk von ihr zugesteckt – 50 Euro; worüber ich mich ausgesprochen freute.  Obwohl das Familiengeheimnis weiterhin bewahrt wurde, luden sie uns zur Beerdigung vom Schwager erst mal nicht ein. Es kränkte mich sehr, denn ich fühlte mich ausgesperrt.
Aber von nun an beschließe ich, nicht immer  die Opferrolle zu übernehmen, sondern ich schreibe einfach alles auf und rede mir den Frust von der Seele. Das tut richtig gut! Ein für alle Mal: Schluss jetzt mit dem ständigen Rumgejammer.
Das will sowieso keiner hören. Und dann geht’s auf zu neuen Ufern. Mal sehen was noch so alles kommt und zum Schluss mit einem Salto rückwärts ins Grab juché!
Und bitte keine große Heuchelei, denn irgendwann ist jeder Mal dran. Arrivederci und Ciao!
Über eine Sache, bei der ich mich irrte, bin ich jedoch echt froh.
An jenem besagten Weihnachtsnachmittag unternahmen wir noch einen ausgiebigen Verdauungspatziergang nach unserem üppigen Gänsebraten. Ich unterhielt mich mit Beate und ihrem Neffen Reinhard über Pegida. Dabei äußerte ich den Verdacht, dass sie an Teilnehmerzahlen eher zu als abnehmen werden, was sich glücklicherweise bis heute nicht bestätigte. 




Wie alles anfing (aufgezeichnet am 10.02.2012)

Sicherlich gibt es noch ungewöhnlichere Erlebnisse, aber darum geht es mir nicht unbedingt. Sondern die Erkenntnis, dass unsere Welt nicht nur aus puren Zufällen besteht, nahm im Laufe meines Lebens immer mehr Gestalt an. Es gab z.B. Geschehnisse, die ich mir mit meinem puren Menschenverstand bis heute nicht erklären kann. Hier ein Beispiel: in der ersten Woche nach meiner Geburt konnte ich nichts trinken, und meine Mutter flößte mir Milch mit einem Teelöffel ein. Mein Zustand war so bedenklich, dass mich meine Mutter nottaufen ließ, weil sie dachte, ich würde sterben. Von meinem Vater konnte sie keine Hilfe erwarten, denn er hatte sich gerade von ihr zurückgezogen. Diese Situation zu verkraften, war für sie bestimmt nicht leicht. Nach meiner Taufe erholte ich mich Gott sei Dank anscheinend von meinem Geburtsschock und fing an, ganz normal zu trinken. Mein Vater erkannte die Vaterschaft an und adoptierte mich daraufhin. Der nächste gravierende Einschnitt in meinem Leben geschah kurz danach, denn als meine Schwester Heidelore, sie ist ein Kind aus der ersten Ehe meines Vaters, ihn in den Sommerferien besuchte, erfuhr sie das erste Mal von meiner Existenz. Zu dieser Zeit lebte sie mit ihrer Mutter im Prenzlauer Berg in Berlin und wollte, wie schon so oft, die Ferien bei ihrem Vater im Fichtelgebirge verbringen. Natürlich überraschte sie dieses Ereignis sehr, denn am Ende der Ferien verfrachtete mich mein Vater einfach mit ins Auto, und wir fuhren über Umwege nach Berlin. Viele Straßen nach Berlin wurden nach dem Krieg gesperrt. Das geschah 1949 im August, und ich war damals gerade mal fünf Monate alt. Als ich jetzt, nach 60 Jahren durch Heidi davon erfuhr, überlegte ich, wie mich diese gravierende Trennung von meiner leiblichen Mutter wohl unbewusst mein ganzes Leben beeinflusst haben könnte? Blieb ich wohl aus diesem Grund ein ewiger Zugvogel, immer auf der Suche nach meinen Wurzeln? Dieses Nomadenleben könnte natürlich auch andere Ursachen haben.Aber vielleicht verlor ich damals als Baby mein Urvertrauen, oder ist der Grund meines rastlosen Lebens darin zu suchen, dass ich immer glaubte, der Rasen nebenan sei grüner? Wahrscheinlich gibt es dafür mehrere Gründe. Das ist jetzt, nach so langer Zeit, nicht mehr feststellbar. Auf jeden Fall konnte ich nirgends so richtige Wurzeln schlagen und wechselte ganz oft nicht nur die Wohnungen, sondern auch Städte und Länder. Ein Zeugnis unserer Zeit zu geben, gegen das Vergessen, bleibt mir sehr wichtig. So verstehe ich diesen Bericht. Außerdem besteht im Schreiben die Möglichkeit, sich kreativ zu verhalten. Ich betrachte es als ein Handeln gegen unser ständiges konsumieren. Wir nehmen viel mehr auf, als wir von uns geben können. Das ist auf die Dauer nicht gut, weil es uns in eine geistige Passivität hineinmanövriert. Ob wir diese Lebensweise von Amerika übernommen haben, bleibt zu überlegen. Was ist meine erste Kindheitserinnerung?             An die Vorschulzeit erinnere ich mich nur noch vage, z.B. dass sich meine Schwester mit ihren Freundinnen über die Frisur, die mir meine Stiefmutter verpasste, lustig machten. Als Frisörmeisterin wollte sich mich herausputzen und so legte sie mir einen Teil der Haare, zu einer Rolle gewickelt, mitten auf den Kopf, befestigt durch eine große Schleife. Die anderen bogen sich vor Lachen, weil ich angeblich „eine Sch…wurst“ auf dem Kopf trug. Es versteht sich von selbst, dass ich diese Frisur nicht mehr haben wollte. Das ereignete sich auf unserem Feriengrundstück nördlich von Berlin. Wenn ich mich aber in der Hängematte schaukelte oder durch den riesigen, naturbelassenen Garten streifte, erlebte ich wunderbar interessante und erholsame Stunden. Eines Tages war es auf einmal mit der Ruhe vorbei: Ich suchte nahe am Waldrand nach Blaubeeren, da streifte in etwa fünf Meter Entfernung ein ausgewachsenes Wildschwein durchs Gehölz, mit der Schnauze am Boden, nach einer Fährte schnüffelnd. Ich stand wie zu Stein erstarrt und traute mich kaum zu atmen! Der Koloß verschwand genauso schnell und unerwartet, wie er auftauchte, wieder im dichten Gebüsch. In diesem Moment rannte ich los, rein in unseren Garten, die Tür hinter mir zugeknallt und ab ins Gartenhaus war eins. Mit einem Knall viel die Laubentür ins Schloss. Mein Herz raste noch immer. Erst hier fühlte ich mich richtig sicher. Das Dumme an der Sache war nur, als ich abends erzählte: „ Mir ist heute Mittag beim Blaubeerenessen ein Wildschwein begegnet!“ da glaubte es mir niemand. Hatten doch sogar die Nachbar davon berichtet: „ Heut Abend standen sie wieder am Zaun und haben nach Futter gebettelt.“ Meine Familie behauptete aber steif und fest: „ Das war bestimmt bloß ein Hund.“ Als ob ich mit fünf Jahren keinen Hund von einem Wildschwein hätte unterscheiden können! Ich war schwer gekränkt, aber auch heilfroh dass meine Begegnung mit dem wilden Schwein so glimpflich ablief. Aber so ist das halt: da treffe ich schon mal eins auf freier Wildbahn und dann glaubt es mir keiner. Dann gab es im Dorf noch eine Herde Gänse, an die ich mich gut erinnern kann. Jedes Mal, wenn ich vom Kaufmann alleine etwas holen sollte, gingen sie zischend und laut schnatternd mit weit vorgestreckten Hälsen auf mich los, bis ich auf die Idee kam, mich mit einem Stock zu bewaffnen. Von da an war Ruh und der Spuk glücklicherweise vorbei . Sie zischten und schnatterten zwar immer noch aufgeregt hinter mir her, ansonsten ließen sie mich aber passieren. Mein Stock flößte ihnen gehörigen Respekt ein und ich brauchte mich nicht mehr vor ihnen zu fürchten. Das genaue Gegenteil erlebte ich im Kindergarten. Dorthin ging ich überhaupt nicht gern, weil die Stärkeren mir einfach mein Spielzeug wegnahmen, oder mich ständig vom Schaukelpferd schupsten, kaum dass ich es auch mal ergattert hatte. Außerdem unternahmen die Kindergärtnerinnen nichts dagegen, aber sie machten mit uns ausgedehnte Spaziergänge, auf denen uns die Straßenkinder hänselten: „ Kindergarten, Schweinebraten, hat die ganze Welt verraten!“ Solche echt blöden Sprüche mussten wir uns anhören und dann gab es unterwegs meist nichts zu trinken. Das war die reinste Quälerei im Sommer. Einmal musste ich kurz vor Abmarsch noch mal auf die Toilette und die Gruppe ging einfach ohne mich los. Wie war ich froh, als ich das bemerkte und nun ungehindert auf dem Schaukelpferd sitzen konnte! Nur dauerte mein Spaß nicht sehr lange, denn vor der Tür mussten alle durchgezählt worden sein. Eine Erzieherin erschein sofort wutschnaubend und behauptete: „ Du hast dich absichtlich auf der Toilette versteckt!“ Sie drohte mir mit Strafe, sollte das noch einmal vorkommen. Meine gegenteiligen Beteuerungen halfen da nichts. Ich war ganz glücklich, als ich bald darauf eingeschult wurde. Nur die Geschichte mit der Zuckertüte machte mich hellhörig. Warum lockte man die Kinder mit Naschereien dort hin? Das erschien mir äußerst suspekt. Was mir in der Schule wirklich von Anfang an sehr missfiel, war diese schier endlose Stillsitzerei. Lernen an sich fand ich gut. Ich sog den Stoff wie einen Schwamm in mich auf, außer beim Rechnen, mit dem ich immer auf Kriegsfuß stehen sollte, hatte ich kaum Schwierigkeiten. Auch ließ ich andere gern mal abschreiben und mit den Lehrern kam ich ebenfalls ganz gut zurecht. Nur mit unserm Hausmeister bekam ich Streit, weil es verboten war, die Kaninchen im Schulhof aus dem Stall zu nehmen. Ich ließ mich davon nicht abhalten und streichelte sie trotzdem. Natürlich erwischte mich der dicke Kerl in seinem blauen Kittel. Ich rannte weg, er hinter mir her. Ich nahm den Weg über den großen Schulhof, er wetzte durch das Schulgebäude. Als ich ihn kommen sah, versteckte ich mich hinter einem Baum, anstatt weiter durch das Schultor zu rennen. Er schleppte mich triumphierend ins Sekretariat, wo ich mir meine Strafarbeit abholen durfte.                                                                        An einem Wochenende wollte ich mal mit einer Freundin nachschauen, wo dieser Hausmeister eigentlich wohnt. Leise stiegen wir die Vordertreppe des Schulhauses hinauf, aber anscheinend nicht leise genug, denn plötzlich erscholl vom 4. Stock seine laute Stimme: „WER da?“ und wir sahen, wie er sich mit einem Gewehr über das Geländer beugte. Wir stürmten total erschrocken die Stufen hinunter. Übrigens lernten auch wir das Schießen auf Zielscheiben im Schulhof. Es waren die letzten Jahre vor dem Mauerbau. Einen Schulkameraden mochte ich überhaupt nicht. Als er eines Tages meiner Freundin Monika den Arm auf den Rücken drehte und sie vor Schmerz wimmerte, warf ich ihm eine saftige Birne, in die ich eben mit großem Appetit biss, an den Kopf. Er ließ Monika sofort los, drohte mir aber: „Na warte, wenn du aus der Schule kommst, dann setzt es was!“ Vor lauter Angst steigert ich mich in eine Hyperventilation hinein.                                                                                Zu Beginn jeder Unterrichtsstunde mussten wir aufstehen und auf das Kommando des Lehrers: „Seid bereit!“ „Immer bereit“ antworten. Durch meine Heulerei und das zu schnelle, panische Atmen verkrampften sich meine Beine. Ich taumelte zur Wand und wieder zurück auf meinen Stuhl.                 Der Lehrer dachte gleich an Kinderlähmung und lies mich von zwei kräftigen Schülern ins Sekretariat tragen. Dort alarmierte die Sekretärin die Ambulanz und ich kam direkt von der Schule ins Krankenhaus. „Auf jeden Fall bekomme ich so keine Schläge“ dachte ich und spürte wie sich meine Verkrampfung löste, behauptete aber weiterhin „Ich kann die Beine nicht bewegen!“ Immer noch fürchtete ich den Nachhauseweg und dachte mir: „So entgehst du den Prügeln am besten“ Ich bekam Injektionen und eine Rückenmarkspunktion, doch eines Tages flog der Schwindel auf, als mich eine Schwester ganz normal über den Flur zur Toilette laufen sah. Im Krankenhaus hatte sich ein Junge aus dem Nachbarzimmer in mich verliebt , und ich wollte nicht an ihm vorbeihumpeln.                                                                                                                             Er wohnte auch im Prenzelberg in der Husemannstraße. Ich klingelte mal an seiner Haustüre. „Ist Klaus da?“ Der Mutter erzählte ich, dass ich die Hausaufgaben brauchte. Aber er war gar nicht daheim. Als er dann mich besuchen kam, schämte ich mich vor meiner Mutter, obwohl Heidi mir anbot: „ Du kannst selbst entscheiden, ob du runtergehst.“ Ich ging nicht. Damit endete unsere Freundschaft schneller als gedacht.                                                    Die Geschichte mit der Blinddarmoperation verlief ähnlich. Bei einer Lehrerin sollten wir plötzlich mit Händen auf dem Rücken sitzen, was ich total abartig fand. Ich weigerte mich und sie stellte mich dafür prompt vor die Türe. Diese Behandlung empfand ich wiederum als echt ungerecht und mir liefen die Tränen herunter. „Warum heulst du denn?“ fragte sie. „Mir tut der Bauch weh“ beklagte ich mich. Daraufhin schickte sie mich sofort nach hause.                                                                                                                                              Dort, früher als gewöhnlich angekommen, erzählte ich die gleiche Geschichte. Ab ging s wieder ins Krankenhaus. Die Ärzte in der Poliklinik tippten auf eine Blinddarmentzündung und ehe ich mich versah, lag ich auch schon auf dem OP-Tisch, wurde festgeschnallt und bekam für die Äthernarkose eine Maske über die Nase gestülpt.                                                                                                               Zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät, um mit der Wahrheit herauszurücken. Ich schrie nur noch so laut ich konnte: „Hilfe, Polizei!“             Sie tropften als Antwort jedoch nur noch mehr Äther auf mich drauf.               Pech gehabt, denn der Blinddarm war danach raus und nun hatte ich wirklich Bauchschmerzen. Damals gab es noch die Methode, dass nach der OP ein Sandsack auf den Bauch gelegt wurde. Wozu das gut sein sollte, weiß ich bis heute nicht. Die Schmerzen ließen dadurch jedenfalls nicht nach. Von da an beschloss ich, lieber bei der Wahrheit zu bleiben.

Montag, 21. November 2016

Erlebnis mit lebendigem Wasser 1999
 
Während der Jahrtausendwende fuhr ich im Herbst zur Kur nach Bad Schwalbach. Das gesamte Personal strengte sich dort richtig an, um unseren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Vom Koch bis zum Chefarzt gaben sie also ihr Bestes und ich konnte die vorzüglichen Anwendungen drei Monate lang bei herrlich warmem Wetter genießen. In den Behandlungspausen entspannte ich mich bei Sonnenschein des Öfteren auf der Dachterrasse mit wundervollem Ausblick.
Die Klinik lag auf einem Berg, und wir Kurgäste liefen in kleinen Gruppen fast täglich die geschlängelten Pfade nach Bad Schwalbach hinab, schauten uns das malerische Städtchen an, saßen in Straßencafés, tranken dies und das oder schleckten Eis. Mit Ansichtskarten für die Lieben zu hause bewaffnet traten wir  dann den Rückweg an, um wieder rechtzeitig am reichhaltigen Abendbuffet teilzunehmen.
In dieser Zeit schloss ich enge Freundschaft mit einer Frau,die ebenfalls zur Kur kam.  Wir schrieben uns noch Jahre später Briefe oder besuchten uns gegenseitig.Leider verstarb sie bereits vor einiger Zeit.
Was mich am meisten freute: neben der  Beschäftigungstherapie mit Töpferkursen und Seidenmalerei gab es freie Tanzkurse und einen Chor, welchen die Frau des Chefarztes persönlich leitete. Durch sie bekamen wie die Gelegenheit, in einer alten, holzgetäfelten Kirche aufzutreten.  Im Chor sangen wir dann Lieder wie  „ Heaven is a wonderful place, filled with mercy and grace. I want to go there, do wa, do wa wab!”
Viele Frauen hatten damals Probleme mit ihren Partnern. Sei es, dass der Ehemann sie schlug, oder sie waren außereheliche Verbindungen eingegangen. Die mit mir eng befreundete Frau, sehr christlich eingestellt, hatte aus diesem Grund ihre außereheliche Freundschaft beendet. Sie beschrieb es einmal so: „Ich musste mir diesen Freund regelrecht aus dem Herzen reißen, denn ich wollte nicht länger in dieser Sündhaftigkeit verharren.“
Ich war zwar nur im Geiste in einen verheirateten Mann verliebt, konnte ihn aber einfach nicht aus meinem Kopf herausbekommen. Damit peinigte ich mich jahrelang unentwegt.
Als ich damals wieder einmal völlig trostlos über diese Situation im Kurhotel in meinem Zimmer saß, nahm ich ein Johannesevangelium zur Hand, welches auf meinem Nachttisch lag, und begann darin zu lesen. Es handelte sich um die Geschichte von der Samariterin, die Jesus am Brunnen trifft. Er erzählte ihr alles, was sie bisher erlebte, und sie wunderte sich sehr, wie er über ihr Leben so gut bescheid wusste, ohne sie überhaupt zu kennen. Auch von der Rastlosigkeit in ihren Beziehungen zu Männern wusste er und bot ihr lebendiges Wasser an, um ihren Durst zu stillen.
Dieses Evangelium war mit Kommentaren versehen und darin stand geschrieben: "Wenn auch du durstig bist, so bitte Gott um dieses lebendige Wasser!"
So wie ich gerade auf dem Stuhl saß, bat ich darum und ein großer Schwall durchströmte mich augenblicklich.
Alle Kurgäste  riefen am nächsten Tag sehr erstaunt:" Du siehst aus wie  Phönix aus der Asche erstanden!" Und so fühlte ich mich wirklich: durch Gottes Hilfe überwand ich endlich diese ehebrecherischen, selbstzerstörerischen Gedanken.
Ein Kurgast nahm mich kurz darauf mit auf einen Ausflug zu einer Flugschule an der Mosel. Er wollte dort seinen Flugschein erneuern. Sein Fluglehrer kreiste mit mir anschließend eine halbe Stunde über dem meandernden Flussverlauf, und ich fühlte mich selbst frei wie ein Vogel. Mein Entschluss stand fest: ich will auch fliegen lernen!
Bisher habe ich es leider nur bis an den Flugsimulator geschafft. Das unangenehme an diesem Ausflug war die Rückfahrt zur Klinik. Mein Mitpatient raste wie wahnsinnig, mit  über 200 km/h immer auf der Überholspur, nur um pünktlich zum Abendessen zu kommen. Ich stieg stocksteif vor Anspannung aus dem Wagen. Noch unterwegs überlegte ich ernsthaft, ob es nicht besser wäre,  zurück zu trampen, zumal dieser Mann auch noch ein Alkoholproblem zu haben schien.  Er klopfte später an diesem Abend noch vergeblich an meine Zimmertür und wurde wenig später wegen Randale nach hause geschickt.
Mit mir meinte es der Kurarzt dagegen sehr gut, denn er verordnete mir Massagen, Moorbäder und Fango, was meinen Blutdruck erheblich absinken ließ.
Auf jeden Fall ging es mir zum Ende der Kur immer schlechter und ich bekam urplötzlich als ich im Bett lag einen heftigen Schmerz im mittleren Brustkorbbereich.
In Todesangst l rief ich zu Gott: „ Bitte hilf mir im Namen Jesu!“
Gott sei Dank hörte dieser Schmerz so urplötzlich, wie er kam auch  wieder auf.
Manchmal denke ich: fast hätte mir diese unglückliche Liebesgeschichte das Herz gebrochen, aber nur fast!
Zu hause zurück  hielt ich deshalb  Abstand zu diesem Mann und seiner Familie, mit der ich früher viele schöne Momente erlebte, denn beide Eltern sind Musiker , spielen Geige und Klavier. Ich kochte damals unsere Mahlzeiten oder rührte mit den Kindern öfter mal einen Kuchenteig an. Aus heutiger Sicht halte ich meinen Rückzug für das einzig Richtige. So entschied ich mich auch gegen eine gemeinsame Reise ans Meer ins Ferienhaus der Familie.
In dieser Situation bedeutete Verzicht auf diesen Mann das einzig Richtige. Ich hätte mich nur weiter hoffnungslos darin verstrickt, wie es auch heißt im Markusevangelium Kap.7 ab Vers 15: „ Nichts, was von außen in einen Menschen hinein geht, kann ihn verunreinigen, denn es geht nur in die Eingeweiden und in den Abort und nicht in sein Herz, aber das was von einem Menschen hinaus geht, verunreinigt ihn durch Hurerei, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Neid, Lästerung, Unvernunft und Hochmut.“
Beitrag zum Thema Ausbeutung
 
Die nun folgenden Sätze halte ich für die wichtigsten und es liegt mir sehr viel daran, sie niederzuschreiben. Früher hatte ich nie großes Verlangen, Amerika zu besuchen. Erstens, wegen des Unrechts, dass den Ureinwohnern dort angetan wurde und zweitens wegen seiner kapitalistischen Gedanken zum Thema Ausbeutung und Wirtschaftsform, die in andere Länder, z.B. Chile rücksichtslos exportiert wurde. (11. September 1873 der Sturz Aliendes)
Alle  Reformen Allendes wurden mit amerikanischer Hilfe durch Pinochet augenblicklich beendet. Die Leidtragenden waren das chilenische Volk und  unzählige Gefangene, sowie die zu Tode Gefolterten, darunter ein bekannter Musiker, Victor Jara.
Wie ist die Situation in unserem eigenen Land? Hat sich seit der Wiedervereinigung wesentliches zum Positiven verändert oder werden im krassen Gegensatz nur noch mehr Menschen durch immer straffer werdende Produktionsprozesse jeden Tag verheizt?
Es wäre eine Studie für sich, ein Anwachsen des Burn-Out-Syndroms während der letzten Jahre nachzuweisen. Man ist schnell mit der gängigen Meinung zur Hand:  "Diese Arbeitslosen, das sind doch alles bloß Sozialschmarotzer! Die müssen erst mal richtig  arbeiten lernen, anstatt sich auf ihrer faulen Haut jeden Tag auszuruhen!“
Aber sehen wir uns Arbeitslose einmal näher an, werden wir entdecken: die wenigsten akzeptieren ihren tiefen sozialen Abstieg, im Gegenteil – sie leiden spürbar an gesellschaftlicher Ausgrenzung und wollen gern in ihrem früheren Beruf weiterarbeiten, aber es gibt einfach zu wenige Arbeitsplätze für alle.

„Ist das von unserem System so gewollt?“ frage ich mich. „Müssen sich einige in Zukunft bis 67 oder sogar 70  täglich zur Arbeit schleppen, während die anderen eine Anstellung bitter nötig hätten?“
Natürlich existieren auch jene, die aus Protest gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen lieber daheim bleiben und evtl. schwarz ihr Einkommen aufbessern.
Wie wäre es, wenn wir gemeinsam aufstehen und uns lebenswerte Bedingungen erkämpfen? Nicht umsonst streiken viele Berufssparten. Ende der 80er Jahre im Sudan sah ich, wie die wirtschaftlichen Verhältnisse ständig bergab gingen. Die Mutter einer Nachbarsfamilie bestätigte mir: „ Vor einigen Jahren kamen wir mit dem Gehalt meines Mannes gut aus, jetzt reicht das Geld gerade mal bis zur Monatsmitte.“ Ich dachte: „ Hoffentlich kommt solch eine Situation nie bis zu uns!“
Heute wissen wir, wenn wir nach Südeuropa schauen – die Krise ist längst bei uns angekommen.
So behaupten einige Wissenschaftler : „Es gibt genug Lebensmittel für alle. Das Problem liegt nur in  gerechterer Verteilung.“ Der Gedanke, Eltern und ihre Kinder sterben, weil sie im falschen Land geboren wurden, ist unerträglich.
Helfen wir ihnen wirklich, indem unsere Produkte in Afrika verkauft werden? Ganz im Gegenteil- der einheimische Markt wird gestärkt, wenn sie selber das was sie herstellen, verkaufen können. Als Folge kommen weniger Flüchtlinge über das Mittelmeer zu uns.

Montag, 24. Oktober 2016

Ergänzung zum Thema Ausbeutung
 
Stevie Wonder wünschte sich zum 65. Geburtstag:  
Schreibt alle Love-Songs!              

Ist das die Lösung? Laßt uns gemeinsam überlegen, wie wir alle auf unserem Planeten gut leben können? Im Zeitalter der globalen Vernetzung ist das keine Schwierigkeit!
Hier ein Vers aus Epheser 5.2:
Lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.

Mein Umzug vom Südschwarzwald 2004

Bei gutem Wetter sah ich von meinem Arbeitsplatz als Krankengymnastin direkt auf die Dächer von Basel, weil das Kandertal, in dem die Klinik lag, nach Süden hin geöffnet vor mir lag.
Die Kurklinik thronte sehr malerisch mitten auf einem Berg. Im Winter, wenn der Schnee in dicken Flocken vom Himmel fiel, verwandelte sich die dicht bewaldete Berglandschaft in eine märchenhafte Kulisse.

Eines Tages, es war im Sommer 2004 in meiner Pause , ich telefonierte gerade mit meiner Tochter in Hof/ Bayern, doch plötzlich hörte ich ein gewaltiges Grollen, welches sich stetig zu nähern schien.
Zuerst dachte ich an ein Gewitter, aber das vermeintliche Donnergrollen ertönte pausenlos. Immer nur dieses krachende, polternde Geräusch, welches mich langsam beunruhigte. Mitten im Grübeln klappte plötzlich die Zimmertür hin und her! Gleich darauf kippte ich urplötzlich in meinem Sessel vor und zurück und dann knallten auch schon die Fenster auf und zu. Jetzt erst begriff ich: das ganze Haus wurde soeben von einer Erdbebenwelle erschüttert. Bevor ich mich recht besann, war der Spuk auch schon  vorbei.                            Das Klinikgebäude hatte dem Beben Gott sei Dank standgehalten, aber alle Kurgäste rannten in Panik auf die Flure, wo sie eine Krankenschwester  sofort beruhigte: „ Gehen Sie bitte zurück auf Ihre Zimmer, solche Erdbeben kommen hier öfters vor, kein Grund zur Sorge!“ Darauf beruhigten sich wirklich alle  und kehrten zur Tagesordnung zurück. Aber bis jetzt fühle ich, wenn ich an diese Schreckminuten zurück denke, den Schock in meine gesamten Glieder fahren.
Damit aber nicht genug. Bei meinem Umzug, zurück nach Franken in Nordbayern, ereignete sich die nächste Angstattacke. Meine Tochter Jasmina legte eine kleine Arbeitspause ein und hatte so Zeit, mir beim Umzug zu helfen. Mit dem geräumigen Auto ihres Freundes kam sie, um mir beim Umzug zu helfen und meine Sachen abzuholen. Auf der Strecke zwischen München und Stuttgart, wir brausten mit gerade mal 150km/h auf der linken Spur und unterhielten uns angeregt, als wir beide zufällig gleichzeitig nach vorne sahen und die Rücklichter des Wagens vor uns in rasenter Geschwindigkeit näher kamen:  Hanina trat reflexartig das Bremspedal voll durch, doch in den folgenden Sekunden schien der Wagen noch Ewigkeiten weiter und weiter zu rutschen. Vor meinem inneren Auge sah ich uns schon mit voller Wucht aufprallen, nur noch wenige Meter trennten uns vor dem Wagen vor uns, obwohl wir bestimmt schon 150m bremsend zurückgelegt hatten. Überholen war in diesem Augenblick nicht möglich, links wären wir in die Leitplanke gerast und auf der rechten Spur war keine Lücke zum einscheren frei.
Ich sandte im allerletzten Moment ein Stoßgebet zu Gott, und plötzlich fasste die Bremse endlich.
Wir kamen nur ein paar Zentimeter vor der Stoßstange des vorderen Wagens zum Stehen. In diesem Auto mit gelbem Kennzeichen saßen zwei ältere Frauen, die sich in aller Ruhe die Landschaft ansahen.
Der nächste Parkplatz war unserer.Wir stiegen mit zitternden Knien aus. Als erstes dankte ich unserem Gott, hatte er doch schlimmen Schaden von uns abgehalten. Das geliehene Auto  konnte Jasmina ohne eine Beule ihrem Freund zurückgeben. Zum Glück sind wir nicht mit ihrem Auto gefahren, denn es besaß weitaus schlechtere Bremsen.

Motivation für mein Schreiben

In jüngeren Jahren suchte ich, wie andere Menschen auch, nach dem Sinn des Lebens. Was ich dabei auf verschlungenen Wegen fand, davon handeln diese Lebensgeschichten; und weil ich oft Außergewöhnliches erlebte, möchte ich es der Nachwelt erhalten.
Wie ein Puzzle fügt sich dabei ein Teil zum Anderen. Größtenteils stand ich dem Leben optimistisch gegenüber.“Irgendwie geht´s immer weiter“ sagte ich mir, auch wenn die Zukunft gerade mal wieder weniger rosig aussah.
So blieb es bis heute.
Allerdings bereue ich manche Dinge getan zu haben.
Wenn ich die Zeit noch mal zurück drehen könnte, hätte ich mich aus der heutigen Sicht bestimmt manches Mal anders entschieden, aber diese Erfindung gibt es außer im Film, in der Dichtung und in unseren Gedanken leider noch nicht.
Und somit schreibe ich alles einfach so auf, wie es passierte.